Statistische Auswertungen

Taufe, Heirat, Lebenserwartung und Todesursache


Die Geburt und Taufe

Taufbecken der Lallinger Pfarrkirche

Bei der Durchsicht der Taufeinträge, insbesondere aus dem 19. Jahrhundert und davor, fällt auf, dass die Neugeborenen stets noch am selben Tag oder spätestens einen Tag nach der Geburt die Taufe empfingen. Anders als in heutiger Zeit, in der Kleinkinder nicht selten erst Monate nach ihrer Geburt getauft werden, war die schnellstmögliche Taufe zu damaliger Zeit ein großes Anliegen der Eltern. Um ein Beispiel zu nennen, Adelheid Ertl mit der Kennnummer 13 wurde am 4. April 1871 um 5:30 Uhr geboren und noch am selben Tag lediglich dreieinhalb Stunden später, um neun Uhr vormittags getauft.
Die Ursachen für eine baldmögliche Kindertaufe kamen natürlich nicht von ungefähr. Die Gründe liegen zum einen im Kapitel drei, Vers fünf des Johannes Evangeliums in dem es heißt: "Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen." Dies ist sowohl die Grundlage der christlichen Taufe als auch der Angst der Eltern ihre Kinder könnten vor der Taufe sterben und infolge dessen nicht in das Reich Gottes gelangen.
Berücksichtigen muß man nämlich auch die damalige hohe Säuglings- und (Klein-) Kindersterblichkeit. So zeigen historische Statistiken, dass beispielsweise 1878 auf 100 Lebendgeborene im Raum Regen zwischen 30 und 35 Kinder im ersten Lebensjahr starben. Diese Größenordnung wird auch bei der Durchsicht von Matrikeln aus dieser Zeit ersichtlich. So finden sich nicht wenige Einträge von verstorbenen Säuglingen die kaum mehr als wenige Tage, Wochen oder Monate alt geworden sind.
Um unter möglichst keinen Umständen ein Neugeborenes ohne Taufe zu verlieren, waren die Hebammen sogar befugt Nottaufen durchzuführen, wenn auf die Schnelle kein Geistlicher zur Stelle sein konnte. So lesen sich auch einige Taufeinträge, die zugleich das Ableben festhielten, nach folgendem schlichten, erschütterndem Muster:

Nottaufe, Bauerskind, Alter: ¼ Stunde

Im Übrigen gibt es die Nottaufe auch heute noch. So kann bei akuter Lebensgefahr jeder gläubige Mensch im Beisein von Zeugen, selbst mit gewöhnlichem Wasser, eine Taufe spenden.

Im obigen Bild: Das Taufbecken der Lallinger Pfarrkirche, aufgenommen im August 2001, Christian Benz.


Das Heiratsalter

Bestimmt man das durchschnittliche Heiratsalter meiner Vorfahren, so ergibt sich ein Ergebnis von knapp 33 Jahren bei den Männern und annähernd 29 Jahren bei den Frauen. Dies deckt sich etwa mit den in der Ethnologischen Beschreibung von 1860 gemachten Feststellungen, dass Männer Anfang des dreißigsten und Frauen Mitte des zwanzigsten Lebensjahres heirateten.
Interessant dabei ist die Tatsache, wie ebenfalls bereits in der Ethnologischen Beschreibung angemerkt, dass der ausgeübte Beruf und soziale Status entscheidenden Einfluß auf das Heiratsalter hatte. Landwirte bzw. Bauern, also Menschen mit eigenem Hof und Gut heirateten deutlich früher, als diejenigen die "nur" Tagelöhner oder ähnliches waren. Bei Männern lag das Alter bei etwas über 27 Jahren (27 Jahre, 2 Monate) und die Frauen ließen sich durchschnittlich mit 26 Jahren und sieben Monaten trauen. Vorfahren, die Dienstknechte, Mägde, Inwohner(innen), Häusler(innen) oder Tagelöhner waren, heirateten dagegen, wie bereits gesagt, mit deutlich fortgeschrittenerem Lebensalter: Männer im Schnitt mit 36 Jahren und 8 Monaten und Frauen mit 32 Jahren und knapp fünf Monaten.
Den größten Altersunterschied wiesen Josef Schiller (Nr. 32) und Maria Saxinger (Nr. 33) auf. Sie standen 1818 vor dem Traualtar - Josef war damals bereits 41 Jahre alt, als er die über 11 Jahre jüngere Maria zur Frau nahm. Da besagter Josef Schiller Landwirt war, trifft die obige Aussage, dass entsprechende männliche Vorfahren meist bereits vor dem dreißigsten Lebensjahr heirateten, nicht zu. Ein möglicher Grund könnte sein, dass Josef vielleicht nach dem frühen Tod einer ersten Ehefrau, ein weiteres Mal eine Ehe einging. Dies muß jedoch noch geprüft werden und bleibt bis dahin lediglich eine Vermutung.
Das älteste Paar, welches den Bund für das Leben schloß, war im übrigen Josef Köstlmaier (Nr. 20) und Franziska Sedlmaier (Nr. 21). Josef war bei der Trauung nahezu 45 Jahre, und Franziska 40 Jahre alt. Welchen Sozialstatus beide inne hatten ist bisher nicht geklärt.


Die Lebenserwartung

Eine statistische Auswertung der Lebenserwartung der Vorfahren aus den Generationen I bis VI zeigt, dass diese bei meinen männlichen Vorfahren bei gut 69 Jahren lag (69 Jahre und 10 Monate). Die Frauen unter den Vorfahren erreichten im Schnitt ein Lebensalter von genau 66 Jahren.
Besonders beim Kurvenverlauf zur Lebenserwartung der Frauen wird deutlich, dass die Lebenserwartung im Laufe der Zeit - wie zu erwarten - zunahm. Lag sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei den Frauen noch bei 56 Jahren, so kletterte sie 150 Jahre später, in der ersten Generation, auf knapp 80 Jahre. Der Verlauf bei den Männern ist weniger ausgeprägt, insbesondere liegt in der zweiten Generation ein auffälliger Knick vor, der daher rührt, weil in der zweiten Generation nur zwei männliche Vorfahren vorhanden sind und einer davon bereits sehr früh verstarb.

Diagramm zur Lebenserwartung meiner Vorfahren

Beachtet werden muß jedoch, dass eine Statistik auf möglichst viele Einzeldaten zurückgreifen muß, um eine aussagekräftige Darstellung möglich zu machen. Da jedoch die Anzahl der derzeit bekannten Daten im Verhältnis zur Anzahl der Vorfahren in den angesprochenen Generationen noch relativ gering ist, dürften sich die ermittelten Werte infolge zukünftiger Nachforschungen noch etwas abändern. Insbesondere bei den dargestellten Daten der V. und VI. Generation sind noch deutliche Änderungen zu erwarten. Insofern darf der Kurvenverlauf in diesem Bereich nicht als endgültig verstanden werden.
Das Höchstalter unter den Frauen erreichte Maria Schiller, geborene Köstlmaier, aus der zweiten Generation (Kennnummer 5). Maria - die Mutter von Josef Schiller (KN 2) - verstarb 1985 im Alter von 91 Jahren und fast neun Monaten.
Mein ältester männliche Urvater war der 1758 geborene Holler Joseph (Kennnummer 118) aus dem Raum Lalling. Er war ein Vorfahr seitens Maria Schiller (KN 3), welcher mit 87 Jahren und 7 Monaten aus dem Leben schied.
Im Lebensalter von lediglich 31 Jahren starb Theres Nirschl (KN 115) im September 1799 - auch sie war ein Vorfahr von Maria Schiller (KN 3). Fortan mußte ihre eben erst viereinhalb Jahre Tochter Katharina ohne ihre Mutter aufwachsen. Woran Theres jedoch gestorben war, wurde im Lallinger Sterbebuch der Pfarrei nicht festgehalten. Meine Vermutung, sie könnte bei - oder in Folge der Geburt eines weiteren Kindes ihr Leben gelassen haben, bestätigte sich nicht, denn im fragwürdigen Zeitraum finden sich keine entsprechenden Geburtseinträge, die diese Annahme untermauern würden. Ob sie einen natürlichen oder gar unnatürlichen Tod starb, wird wohl ein Rätsel bleiben.
Die kürzeste Lebensspanne unter den männlichen Ahnen hatte Friedrich Schiller (KN 4) - der Vater von Josef Schiller (KN 2). Der an einer Lungengeschwulst Erkrankte, verstarb am zehnten November 1938 um 8 Uhr früh, wenige Tage vor Erreichen seines 46. Lebensjahres.


Todesursachen

Beim Menschen wird die Lebenserwartung durch die Leistungsfähigkeit seiner lebenswichtigen Organe bestimmt. Der Tod tritt ein, wenn der Organismus infolge verminderter Leistungsfähigkeit bzw. des Versagens von lebenswichtigen Organen, auf bestimmte Krankheitsursachen nicht mehr angemessen reagieren kann. Damit werden jene Krankheitsursachen zur Todesursache.
Nimmt man die Sterbeursachen meiner Aszendenten näher unter die Lupe, so zeigt sich, dass die Sterbeursache Nummer-Eins "Marasmus Senilis", also Altersschwäche war. Für annäherungsweise ein Drittel trifft diese Ursache zu. Die Mehrzahl starb also durch Abbauvorgänge im Alter, die schließlich einen natürlichen Tod zur Folge hatten.
Ein weiterer Großteil (23%) - so geht aus den Kirchenbucheinträgen hervor - mußte sein Leben aufgrund sogenannter "Wassersucht" (Hydrops) lassen. Darunter versteht man in engerem Sinne eine krankhaft vermehrte Flüssigkeitsansammlung in vorgebildeten Höhlen, im weiteren Sinne auch im Bindegewebe. Hierfür sind im wesentlichen drei Ursachen möglich: Schwäche des Herzens, welches die aufgenommene Flüssigkeit nicht bis zu den Ausscheidungsorganen vorträgt, durch degenerativen oder entzündlichen Prozeß bedingte Störung der Nieren, oder die Verschiebung der osmotischen Spannung zwischen Blut und Gewebe, deren Ergebnis eine verstärkte Konzentration an Natrium-Ionen ist, die eine vergrößerte Menge Wasser bindet. Liegt die Ursache im Versagen des Herzens, so reichert sich das Wasser zunächst in den tiefsten Körperteilen an, also im Zellgewebe um die Fußgelenke. Bei größerem Überschuß an Gewebswasser schwillt sogar die Kontur des ganzen Körpers an. Durch Störung der Nieren bedingte Ödeme beginnen nicht an den Knöcheln, sondern im Gesicht, wobei die Augenlieder verschwollen sind.
Krebs, also krankhafte Neubildungen (Tumor) war Auslöser für den Tod von gut jedem zehnten Vorfahren. Überliefert sind im speziellen der Magenkrebs und die Lungengeschwulst. Herzerkrankungen und der Schlaganfall (Apoplexie) - eine Durchblutungsstörung des Gehirns, waren zu jeweils 8% für den Tod eines Ahnen ursächlich.
Weitere Gründe für das Ableben waren: Darmverschluß (Ileus), akute Lungenentzündung (Pneumonie) und Arteriosklerose - die häufigste Erkrankung der Schlagadern, bei der es zu Verhärtung, Einengung des Durchmessers und Verlust der Elastizität kommt.
Eine berufsbedingte Todesursache trat in der Generation der Segl-Müller von der Raindorfmühle auf. So war in der Sterbe-Matrikel von Johann Georg Segl als Ursache "Müllerkrankheit" vermerkt. Dabei kann es sich um Rheuma, einen chronischen Bronchialkatarrh, eine Staublunge, Tuberkulose, eine Wirbelsäulendeformation oder auch Gicht handeln. Im vorliegenden Fall läßt der zusätzliche Vermerk "Lungensucht" auf die infektionsverursachte Tuberkulose schließen, deren Erreger durch Staubinhalation - hier wohl Mehlstaub - in die Atemwege gelangt. Johann Georg Segl verstarb 1804 im Alter von lediglich 59 Jahren an dieser Krankheit.
Des Weiteren fand sich in den Einträgen noch sogenannter "Schleimschlag". Bei diesem handelt es sich um eine Atemwegserkrankung, genauer gesagt um eine Folge von Asthma bronchiale. Der heute verwendete Terminus für "Schleimschlag" lautet "Mucoid impaction" und bezeichnet den Verschluß zentraler oder distaler Bronchien durch feste Schleimpfröpfe, sogenannte Plugs.
Ein Vorfahre starb nachweislich eines unnatürlichen Todes - so war beim Sterbeeintrag von Maria Schiller, geb. Mader (KN 65) zu lesen: "umgebracht von Dieben".

Kreisdiagramm zu den Todesursachen meiner Vorfahren

Geht man bei der Wassersucht von einer vorliegenden Herzinsuffizienz aus, ergibt sich obenstehendes Schaubild, über die Todesursachen meiner Vorfahren. Die Altersschwäche bleibt dabei unberücksichtigt, da ja nicht mehr festzustellen ist, welches Organversagen im Einzelnen zum Tode führte. Zum Vergleich dazu die Daten des "Statistischen Bundesamtes Deutschland" aus dem Jahr 1999. Demnach waren die Todesursachen folgendermaßen verteilt: Kreislaufsystem 55%, bösartige Neubildungen 29%, Atmungssystem 7%, Verdauungssystem 5%, Sonstige Ursachen 4%. Beachten muß man im Übrigen, dass die Medizin vor dem 20. Jahrhundert selbstverständlich weit weniger fortgeschritten war als heute. Das bedeutet, dass man über etliche Krankheitsursachen nur sehr begrenzte oder gar überhaupt keine Kenntnisse hatte. Zu früheren Zeiten wurden auch verschiedene Krankheiten als ein und die Selbe angesehen, z. B. weil die nötigen Fertigkeiten und Diagnosemittel mangelhaft oder fehlend waren, um zwischen Krankheiten mit ähnlichen Symptomen zu differenzieren.
Beispielsweise kann die historische Krankheitsursache "Wolf" sowohl Krebs oder Hautentzündung, aber auch Knochenfraß bedeuten. Einzelne Kinderkrankheiten scheint man zumeist auch kaum auseinander gehalten zu haben. So fasste man Pocken, Pockennarben, Masern und Röteln unter dem Begriff "Urschlächten" zusammen. Die öfter zu lesende "Frais" oder "Fraisen" ist im modernen Sinne entweder eine Epilepsie oder sind Krämpfe, oder eine Tobsucht oder auch ein (Schlag-)Anfall.
Die Beispiele zeigen, dass bei den - vor allem älteren - Eintragungen über die Todesursachen keinesfalls von einer 100 prozentigen Sicherheit ausgegangen werden darf. Nicht selten wurde die Todesursache obendrein nämlich nicht einmal von einem Arzt diagnostiziert, sondern von den Hinterbliebenen selbst. In diesem Fall findet sich in den Einträgen der Sterbematrikeln der Zusatz "ohne Arzt" hinter der Todesursache.



© Christian Benz