Ethnologische Beschreibung

Der königliche Landgerichtsbezirk Regen von 1860


Reinlichkeit

Blatta orientalis, Küchenschabe»Was die Reinlickeit anbelangt, so läßt diese sehr viel zu wünschen übrig. Die Wohnstube insbesonders bei den Landleuten ist in der Regel durch die kleinen der Kälte wegen angebrachten Fenster dunkel, das innere des Hauses ist schmutzig und rauhig, weil der Gebrauch der Buchenspäne zur Beleuchtung besonders in den Wintermonaten noch immer fort besteht. Sieden des Wassers zum Anbrennen des Viehfutters im Sommer und im Winter sind beständig Wasserdämpfe in der Wohnstube vorhanden, so daß man glaubt in ein russisches Schwitzbad versetzt zu sein, wenn man längere Zeit in einer solchen Bauernstube sich aufzuhalten bemüßiget. Die Zimmerdecke ist ganz schwarz und die Dramme ebenfalls mit vielen Klüften und Springen durchzogen. In diesen Klüften und Springen hält sich vorzüglich die Blatter orientalis sog. Rußkäfer zu tausenden und tausenden auf. (Mit den Rußkäfern sind nichts anderes als Kakerlaken/Schaben gemeint - Anmerkung Christian Benz.) Rattus rattus, HausratteDieses höchst lästige Ungeziefer wird nicht selten durch das sogenannte Ausblasen mit einem Gemenge von Mehl und Arsenik trotz des strengen Verbotes zu vertilgen gesucht. Die Böden der Wohnstuben wenn auch gebrettert sind kaum von dem Erdboden zu unterscheiden und sind beständig durch die immerwährenden Wasserdämpfe schmirig und schmutzig. Zudem kömmt noch, daß die Wohnstube zugleich der Aufenthalt für das Geflügel, für junge Schweine etc. ist.
Mus musculus, HausmausDaß unter diesen garstigen Verhältnißen in der Wohnstube hüpfende Insekten der Menge nach sich finden müßen, bedarf wohl keines nähern Beweises. Auch finden sich häufig Ratten und Mäuse in nicht geringer Zahl vor. Zu diesen Übelständen finden sich nicht selten in den Bettstellen Wanzen. Eine solche Wohnstube wird gewöhnlich nur alle heiligen Zeiten höchst nothdürftig gereinigt. Die Reinlichkeit außer dem Hause kömmt der im Hause gleich nur mit dem Unterschiede daß die Reinigung der Straßen, der Wege dem allgütigen Himmel überlaßen wird, der durch die periodische Sendung eines heftigen Regenschauers den Unrath auf die nächst gelegenen Anger abführt.«

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Quelle u. a. "Staatsbibliothek München"